Geschichte von Hamelspringe

Kapitel 1: Mühlen                                       

Die Klostermühle                                                   

Nur wenig erkennt der Ortsunkundige heute noch von der früheren Klostermühle. Selbst Einwohner mittleren Alters haben diese Mühle nicht mehr in Betrieb erlebt. Eine ältere Hamelspringerin berichtete von einem Besuch als Kind in der dahinter liegenden Bäckerei: “ Ich verspürte ein immer stärker werdendes Unbehagen, je näher ich der Mühle kam! Um zur Bäckerei zu gelangen, musste ich ja an der Rinne und an dem dunklen, tiefen Mühlenkolk vorbei!“ In dem 6 m tiefen Schacht drehte sich ein für Kinderaugen und Ohren riesiges Ungetüm von Mühlrad mit ziemlichem Getöse und versuchte sich ächzend und knarrend der Kraft des Hamelwassers aus dem aufgestauten Mühlteich zu widersetzen.“

Heute nachdem die Mühlengebäude zum Wohnhaus umgebaut worden sind, erinnert so gut wie nichts mehr daran, dass das Müller Handwerk in Hamelspringe fast 650 Jahre ausgeübt worden ist. „Bereits im Jahre 1318 überließ der Pfarrer Johannes dem Kloster Loccum das ganze Dorf Hamelspringe und erhielt dafür eine Mühle zu Hamelspringe…“ (Zitat). Eine Mühle gehörte in der damaligen Zeit zur Grundausstattung eines Klosters in Hamelspringe (gegründet zwischen 1306 und 1318) und auch in anderen Orten. Wenn auch die heute dort stehenden Gebäude neueren Datums sind, ist hier eine Mühle über die Jahrhunderte in Betrieb gewesen, da die wichtigsten Voraussetzungen durchweg vorhanden waren, nämlich genügend Wasser und die erforderlichen Wasserrechte. Es gab auch in den Nachbarorten Wassermühlen, jedoch hatte die Hamelspringer Klostermühle den entscheidenden Vorteil sogar in den Sommermonaten genügend Wasser zur Verfügung zu haben. Sie wurde von der zweitstärksten Quelle im heutigen Niedersachsen, der Hamelquelle gespeist und die liegt bekanntermaßen nur wenige hundert Meter entfernt. Bei heutigen elektrisch betriebenen Mühlen legt man nur einen Schalter um und das Mahlwerk startet. Die Zuführung des Mahlgutes erfolgt über Rohrleitungen. Zum Betrieb einer Wassermühle waren da erheblich mehr Vorbereitungen erforderlich. Zuerst verschloss man den Überlauf des Mühlteiches um kein Wasser ungenutzt ab fließen zu lassen. Beim Stillstand des Mühlrades diente dieser zum Ableiten des ständig zulaufenden Hamelwassers durch einen gesonderten Ablauf, der in etwa dem Verlauf der heutigen Hamel Unterführung unter dem früheren Mühlengebäude entsprach. Das Überlaufen des Teiches wurde dadurch verhindert. Weiterhin konnte man den Teich zu Reinigungsarbeiten durch diesen Ablauf entleeren. Um das Mühlrad anlaufen zu lassen, zog der Müllermeister einen Hebel, der mittels eines Gestänges den Schieber (auch Schütze genannt) in der Zulaufrinne öffnete. Jetzt strömte Wasser und füllte die Schaufeln des Mühlrades, was sich langsam in Bewegung setzte. Um das Mahlwerk zu starten wurde als nächster Schritt das nur wenige cm große, gusseiserne Antriebsrad in die Verzahnung des bis zu mehreren Metern im Durchmesser großen Königsrades eingeschoben. Um den Anlaufwiderstand zu überwinden, war es nötig, das Königsrad von Hand an zu schieben.

Jetzt lief das Mahlwerk und mit ihm alle durch die Wasserkraft angetriebenen Einrichtungen in der Mühle an. Nun schüttete der Müllergeselle das Korn in die Aufschüttgosse des Rüttlers, der Ähren– und Halmreste heraus siebte. Danach fiel das teil gereinigte Korn in den Keller. Anschließend beförderte ein hölzerner Elevator (Becherhebewerk) es wieder nach oben. Bevor der eigentliche Mahlvorgang begann kam das Korn in den Trieur, ein Gerät zum Aussortieren von Verunreinigungen im Getreide, insbesondere Unkrautsamen. Danach erfolgte der Mahlvorgang zwischen 2 behauenen Mühlsteinen. Die Riefen in diesen Mühlsteinen übernahmen die Zerkleinerung des Korns. Sie mussten von Zeit zu Zeit mit einem Hammer nachgearbeitet werden. Die Klostermühle besaß ein oberschlächtiges Mühlrad mit einem Durchmesser von 4 m. Das Wasser aus dem Teich floss unter der heutigen Zufahrt hindurch, um dann über eine Rinne von oben in die Schaufeln des Mühlrades geleitet zu werden. Da die Wassermenge der Hamel keinen durchgehenden Mahlbetrieb zuließ, staute man das Wasser im Mühlteich auf, der außerdem dazu diente die Fallhöhe des Wassers über dem Mühlrad zu erhöhen. Mit Hilfe des Teiches war es möglich die Zulaufmenge zu regulieren – allerdings nur für eine bestimmte Zeit. War der Teich fast leergelaufen, wurde der Mahlvorgang unterbrochen um neu zu stauen. Der Mühlteich hatte doch beachtliche Ausmaße. Seine Ufer grenzten an den Klosterweg, entlang des Grundstückes der früheren Gastwirtschaft Hupe, an die Grundstücke der Hochkampstraße und schließlich bis an das Mühlengrundstück. Am Klosterweg stand das sogenannte „Stelzenhaus“ auf Pfeilern im Teich. Hier betrieb die Gemeinde Hamelspringe nach Kriegsende eine Küche zur Versorgung der Flüchtlinge, später befand sich das Lebensmittelgeschäft der Fa. Preuss, das älteren Einwohnern auch noch als Konsum bekannt war in dem Gebäude.

Um die Zeitspanne der ausströmenden Wassermenge aus dem Teich optimal ausnutzen zu können, war es erforderlich das Korn am Mahltrichter bereitzustellen. Oberhalb einer heute noch bestehenden Einfahrt erkennt man die Luke, durch die die Kornsäcke mit einem Flaschenzug von den darunter stehenden Ackerwagen entladen wurden. Anschließend breitete man das Korn auf dem Trockenboden aus. Für den Betrieb der Mühle waren ein Meister und ein Geselle angestellt. Sie führten alle in der Mühle anfallenden Arbeiten aus.  Dazu gehörten neben dem Kornmahlen, die Instandhaltung der Mühlengebäude, des Mahlwerkes, das Behauen der Mühlsteine, das Be- und Entladen der Ackerwagen, das Trocknen des Kornes und der Verkauf von Schrot. Diesen Schrot stellte man mit Hilfe einer Schrotmühle her, die durch eine Transmission ebenfalls durch das Mühlrad angetrieben wurde. Im 2.Weltkrieg trieb das Mühlrad zudem einen Generator an, der die Mühle mit elektrischem Licht erhellte. „Ganz Hamelspringe lag im Dunkeln, nur in der Mühle brannte Licht“ berichtet eine Zeitzeugin. Auch damals wusste man schon den Vorteil der kurzen Wege zu nutzen und so entstand im Jahre 1870 die erste Bäckerei im hinteren Teil der Mühle. Die Bäckermeister W. Dehne, H. Bähre und von 1956 -1966 H. Helmdach backten hier in einem mit Kohlen befeuerten Backofen Backwaren aller Art und fuhren diese mit einer Kutsche und später mit dem  PKW zum Verkauf aus.

Der letzte hier tätige Bäckermeister H. Helmdach war bei den Dorfkindern besonders beliebt, da man dort beim Backen zuschauen durfte und aus Teigresten gebackene kleine Brote frisch aus dem Ofen geschenkt bekam. Als in der ersten Hälfte der 1950 er Jahre zunehmend größere Betriebe auf den Markt drängten, bedeutete das das Aus für viele kleine Mühlen im Deister – Sünteltal, so auch für die Klostermühle, die nach fast 650 Jahren dann 1952 ihren Betrieb einstellen musste. Aufgrund der „deutschen Gründlichkeit“ verschweißte man sogar die Welle des Mühlrades damit kein unerlaubter Betrieb mehr möglich war. Wie das allerdings ohne Wasser funktionieren sollte – diese Frage vermochte niemand zu beantworten, da man zu guter Letzt etappenweise von 1956 – 1958 auch noch den Mühlteich zuschüttete. Noch in den 1960 er Jahren konnte man an der Rückseite des heute dort stehenden Gebäudes erkennen, dass dieses Haus teilweise auf Pfeilern steht.  Dieser Teil des Gebäudes ist der Überrest des bereits erwähnten Stelzenhauses. Damals lief die Hamel direkt in den Teich. Da das nun nicht mehr möglich war, baute die Gemeinde Hamelspringe das heutige Wehr an der ehemaligen Poststelle. Hier ist noch das Ober- und Unterrohr vorhanden. Das Unterrohr schloss man an den früheren Überlauf des Teiches an und leitete die Hamel unter der ehemaligen Mühle hindurch.


Auf einer Wiese hinter dem heutigen Wohngebäude tritt sie in einem kleinen Teich wieder zutage, um dann durch einen schmalen Kanal in ihr ursprüngliches Bachbett zu fließen.

Am Wehr befindet sich eine Kettenwinde mit der sich das Unterrohr durch einen Schieber verschließen lässt. Das Hamelwasser liefe dann wieder durch das Oberrohr in den mit einer Betondecke überbauten Mühlen Schacht, in dem sich auch heute noch die Mühlrad Welle und die Reste des Mühlrades befinden. Der frühere Mühlengraben, ein 6m tiefer Einschnitt an der Stirnseite der Mühle nahm eine Balkenkonstruktion auf, in der das Mühlrad gelagert war. Dieses Gestell war notwendig, da eine Seite dieses Grabens nur aus Natursteinen bestand und zur sicheren Aufnahme des Gegenlagers der Mühlrad Welle ungeeignet war.

Ein Dach über diesem Holzgestell schützte das Mühlrad während der Stillstandzeiten vor Eis und Schnee. Aufgrund seiner Größe hätte eine komplette Vereisung wegen des starken zusätzlichen Gewichtes unweigerlich zum Zusammenbruch des Mühlrades und damit zum wirtschaftlichen Totalschaden des gesamten Mühlenbetriebes geführt.


Dieser Mühlengraben ist nach 1912 durch einen aus massivem Sandstein gemauerten Mühlrad Schacht ersetzt worden und noch heute vollständig erhalten. Dieser Schacht (auch Kolk genannt) ist ca. 8 m lang, 6 m tief und 2 m breit.  Seine Sohle liegt weitestgehend trocken, nur aus einem später eingebauten Gully läuft bei Regen etwas Wasser herab.  In 2,50 Höhe über dem Schacht Grund ruht auf einem Mauervorsprung das Gegenlager der Mühlrad Welle. Hier sind nach dem damaligen Stand der Technik hochmoderne Gleitlager eingebaut worden, die in regelmäßigen Abständen gefettet werden mussten. Bei älteren Mühlrädern, bei denen eine Holzwelle in Holzlagerschalen lief, verwendete man eine einfache Speckschwarte als Schmiermittel. Diese wurde dann bei Bedarf erneuert. Auf der 150mm starken Mühlrad Welle sind zwei quadratische Mitnehmer Blöcke 450 x 450 mm aufgesetzt, auf denen das hölzerne Mühlrad befestigt war. Die Mitnehmer übertrugen die Drehbewegung des Mühlrades über die Welle auf das Königsrad.

In 2,50 Höhe über der Welle (5 m über Schachtgrund) kommt aus der rechten Stirnwand des Schachts die Wasserrinne hervor. Diese Rinne ist aus Beton gegossen und hat einen Querschnitt von 50 x 25 cm. Sie endet oberhalb des ehemaligen Mühlrades am Rand einer Öffnung, die noch bis in die 1960 er Jahre mit Balken zugelegt war und als Kontroll- und Reinigungsöffnung diente. Das Mühlrad hatte einen Durchmesser von 4 m. Aufgrund der Lage der bereits beschriebenen Mitnehmer auf der Welle lässt sich die Breite von 1,20 noch heute genau feststellen.

An der linken Stirnseite befindet sich im unteren Wandbereich der ca. 80 cm hohe Ablaufkanal, der in Gewölbeform aus Sandsteinen gebaut worden ist. Rechts unterhalb des früheren Mühlrades erkennt man eine weitere Ablauföffnung mit einem Querschnitt von ca. 50 x 50 cm. Die Hauptwassermenge floss jedoch geradewegs durch den Ablaufkanal und trat nach  50m unterirdischen Verlaufs aus dem in Naturstein gesetzten Rundbogen wieder ans Tageslicht. Die Strömung der Hamel drückt zwar immer noch etwas Wasser in diese Öffnung, aber aufgrund der Steigerung und seiner Länge erreicht kein Wasser mehr den Mühlrad Schacht.

Quellen:  Gespräche mit Zeitzeugen, Erinnerungen des Verfassers, Der Söltjer 1982.

Bilder:    Sammlung des Verfassers.                                  

Herzlichen Dank den heutigen Eigentümern für die freundliche Unterstützung bei der Erkundung des Mühlenschachts und den dabei entstandenen Aufnahmen. Alle Bilder und Texte unterliegen urheberrechtlichem Schutz.

Lars Herrmann